Seit März 2005 hat die „Feinstaub-Debatte“ die Öffentlichkeit mit Macht erreicht. Diese geht zurück auf eine Gesetzesänderung zum 1. Januar 2005, die deutlich schärfere Grenzwerte für diverse Luftverschmutzungen vorsieht und damit in diversen Städten große Probleme auslöst. Bereits Mitte März wurde in Stuttgart die magische Grenze von 36 Überschreitungen der Feinstaubgrenzwerte verzeichnet; München folgte. In Darmstadt wird die 36. Überschreitung voraussichtlich noch im April erfolgen. Doch was sagt eigentlich diese Zahl 36 und warum gewinnt sie auf einmal eine so große Bedeutung?
Die am 1. Januar in Kraft getretenen Grenzwerte sind bei weitem nicht so neu, wie dies derzeit erscheinen mag. Zurück gehen Sie auf eine am 22.4.1999 verabschiedete EU-Richtlinie 1999/30/EG, die die Bundesrepublik Deutschland am 11. September 2002 in nationales Recht überführt hat.
Besondere Brisanz entwickelt dabei der sog. Feinstaub (PM10), der aufgrund aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse erstmals in dieser Tragweite in einer Luftreinhalterichtlinie auftaucht. Für ihn wurde zunächst ein Grenzwert von 50µg (Mikrogramm) für den Tagesdurchschnitt (dieser darf pro Jahr nur 35 mal überschritten werden) und 40 Mikrogramm für den Jahresdurchschnitt festgelegt. Und für den 1. Januar 2010 ist bereits eine weitere Verschärfung der Grenzwerte in der EG-Richtlinie vorgesehen: Dann soll der Tagesdurchschnittswert von 50µg nur noch 7 mal im Jahre überschritten werden dürfen; die durchschnittliche Jahresbelastung nicht mehr als 20µg betragen.
Als grobe Definition kann man sagen, dass als Feinstaub alle Teilchen (Particulate Matter) gelten, die eine gewisse Zeit in der Luft verweilen und nicht direkt zu Boden sinken sowie einen Durchmesser von 10 Mikrometern (das ist ein Tausendstel von einem Millimeter) oder kleiner haben. Daher heißen diese Stoffe in der Fachsprache auch PM10.
Diese Stoffe werden an vielen Stellen freigesetzt. Unter anderem in Verbrennungsanlagen (Heizungen, Müllverbrennungsanlagen, etc.), bei Industrieprozessen (z.B. Metall- und Stahlerzeugung) und beim Schüttgutumschlag. Die wesentliche Quelle in Städten und Ballungsräumen ist jedoch der Straßenverkehr – insbesondere PKW und LKW mit Dieselmotoren ohne Rußfilter. Auch der Abrieb von Reifen, Bremsen und Kupplungen spielt für die Erzeugung von PM10 eine gewisse Rolle.
Das Problem am Feinstaub ist, dass der menschliche Körper auf Teilchen dieser Winzigkeit nicht mehr vorbereitet ist. Größere Staubpartikel werden in der Regel bereits herausgefiltert, bevor sie der Lunge auch nur nahe kommen. Kleinere Partikel ab PM10 gelangen jedoch bis in die Lunge, die noch wesentlich kleineren PM0,1 können von der Lunge sogar bis in die Blutbahn vordringen. In der Lunge und im Blut verursachen die kleinen Fremdkörper eine reizende Wirkung bis hin zu Entzündungen und permanenten Schäden. Die Wirkung reicht von einer vorübergehenden Beeinträchtigung der Atemwege, erhöhter Medikamentbedarf bei Asthmatikern bis zu vermehrtem Krankenhausaufenthalt und einer Zunahme der Sterblichkeit wegen Atemwegserkrankungen und Herz-Kreislauf-Problemen.
Aus Studien in Europa und den USA ist heute relativ genau bekannt, wie welche Konzentration von Feinstaub auf den menschlichen Körper wirkt und wie sich dadurch die Lebenserwartung verändert. Und hier zeigen die Zahlen sehr eindeutig, dass mit steigender Konzentration die Lebenserwartung drastisch sinkt.
Kritisch ist hierbei, das es keine Schwelle gibt, unterhalb der Feinstaub keine schädliche Wirkung hat. Daher dürfen bei der Diskussion um die Feinstaubwerte nicht wie derzeit der Fall allein die Spitzenwerte betrachtet werden, sondern gewinnen insbesondere die Jahresmittelwerte unter gesundheitlichen Aspekten eine besondere Bedeutung.
Mehr Informationen über das Thema „Was ist Feinstaub?“ gibt es in einer sehr guten Information des Umweltbundesamtes (UBA), der auch die meisten der in den letzten Abschnitten wiedergegebenen Informationen entnommen sind.
Speziell Darmstadt nimmt beim Feinstaub eine traurige Spitzenposition in Hessen ein und ist im Bundesvergleich auch in der Spitzengruppe der am meisten von Luftverschmutzung betroffenen Städte mit dabei. Dies ist anhand einer kleinen Übersicht, die das Umweltbundesamt in einem Bericht über die Entwicklung der Werte von 2001 bis 2003 zusammengestellt hat.
Daraus geht hervor, dass im Jahr 2003 in der Darmstädter Hügelstraße der kritische PM10 Wert von 50µg im Tagesdurchschnitt 106 mal überschritten wurde (zur Erinnerung: 35 sind ab 2005 erlaubt); an 64 Tagen lag der Tagesdurchschnittswert sogar über 60µg. Der höchste Tagesdurchschnittswert wurde mit 138,4µg gemessen (das ist mehr als das 2,7-fache des erlaubten Grenzwertes) und die höchste Stunden-Spitzenbelastung sogar mit 266,5µg (mehr als das 5,3-fache). Auch beim Jahreswert sieht es nicht besser aus – der lag bei 42,7µg – Platz 9 bundesweit.
Aber der Feinstaub ist kein rein lokales Problem. Zwar herrschen an der Hügelstraße durch die bauliche und verkehrliche Situation extreme Bedingungen, aber Feinstaub wird sehr leicht auch über große Entfernungen verfrachtet (z.B. Saharastaub) und kann so in Gegenden landen, wo man ihn nicht vermutet. Daher sind nicht nur die Hügelstraße und die übrigen Straßenzüge des Cityrings in Darmstadt sondern darüber hinaus auch das restliche Stadtgebiet und die umliegende Region von dem Problem betroffen.
Bereits nach der Verabschiedung der neuen Grenzwerte war für viele Länder und Kommunen klar, dass sich an der damaligen Situation etwas ändern muss. Dafür wurden auf Basis der bekannten und vorliegenden Messwerte die dafür laut Gesetz zuständigen Länder aktiv und stellten zusammen mit den Kommunen für die betroffenen Gebiete Luftreinhaltepläne auf. Dies erfolgte auch in Hessen mit dem Luftreinhalteplan Rhein-Main (LRP).
Dieser Luftreinhalteplan geht nach einer sehr langen Zustandsanalyse gegen Ende auch kurz auf die weiteren zur Grenzwerteinhaltung erforderlichen Maßnahmen ein. Diese sind in allen betroffenen Städten eher allgemein gehalten und entwickeln – wenn überhaupt - eher langfristig ihre Wirkung. Auch Darmstadt bildet hier keine Ausnahme. Zu den 14 aufgeführten Maßnahmen (Seite 67 des LRP) zählen auch die Erweiterung der Straßenbahn nach Arheilgen, der Bau der Nord-Ost-Umgehung und die Nachrüstung von Rußpartikelfiltern in städtischen Fahrzeugen. Maßnahmen, die kurzfristig eine deutliche Senkung der Feinstaubkonzentrationen erreichen können, fehlen.
Mehr über die aktuelle Lage finden Sie bei Sachstand.
Darüber hinaus können Sie sich über die Bewertung der aktuellen Situation durch den IVDA und die vom Verein vorgeschlagenen Maßnahmen bei Das Projekt informieren.
Alle Quellen, die auch in diesen Text eingegangen, wichtige Links und vieles mehr gibt es in der Rubrik Download.
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