Standpunkt

Nordostumgehung – alternativlos? Darmstadt ist schlauer!

„Die Nordostumgehung ist für Darmstadt unverzichtbar.“ sagt Oberbürgermeister Walter Hoffmann. Worauf er diese Aussage aus dem Sommer 2008 stützt, hat er bis heute nicht erklärt. Genau das wäre aber in der ansonsten erschreckend faktenarmen Diskussion nötig meint der Verein für Innovative Verkehrssysteme Darmstadt e.V. (IVDA). Ursächlich für diesen Zustand ist, dass die NOU durch politische Vorgaben zwingend in dem zwischen 2001 und 2006 entwickelten Verkehrsentwicklungsplan als Grundlage aller Entwicklungsmaßnahmen verankert wurde. Den diversen Interessengruppen von IHK bis BUND wurde damit die Möglichkeit zur Diskussion über dieses Projekt entzogen; Alternativen wurden nie geprüft. Genau diese Prüfung wäre aber notwendig, um zu zeigen, ob die NOU den erheblichen finanziellen und städtebaulichen Aufwand rechtfertigt – um bei den Worten des Oberbürgermeisters zu bleiben „unverzichtbar“ ist.

Positive Wirkung überschätzt, Probleme nur verlagert

Auf diesen Zustand hatte der IVDA alle Stadtverordnetenfraktionen bereits vor dem Satzungsbeschluss, ebenso wie auf die mit der NOU verbundenen negativen verkehrlichen Folgeerscheinungen, eindringlich hingewiesen. Zu diesen Folgen zählen insbesondere die aus der Verkehrsprognose hervorgehende deutliche Verlagerung und Zunahme des Verkehrs durch die Nordostumgehung (Hanauer Straße +60%) bei einer vernachlässigbar geringen Verkehrsentlastung in der Innenstadt mit Ausnahme des Röhn-/Spessartrings – die aber weiterhin Hauptverkehrsstraßen bleiben.

Auch die tatsächlich merkliche Verlagerung von LKW-Verkehren aus der Innenstadt auf die neue Straße wird in ihren Wirkungen überschätzt und kann zudem zeitnah mit wesentlich günstigeren Maßnahmen, mindestens in gleichem Umfang, erreicht werden. An erster Stelle steht dabei die Reduzierung der Geschwindigkeit, speziell der LKW, auf Tempo 30. Damit können Lärm und Abgase auch absolut deutlich reduziert werden anstatt andere Stadtviertel zusätzlich zu belasten. Andere Städte wie Berlin und Duisburg gehen damit erfolgreich voran – die rechtlichen Voraussetzungen sind vorhanden.

Die Nordostumgehung ist der Versuch einer zu einfachen Antwort auf ein sehr komplexes Problem

Die hohen Kraftstoffpreise des Frühjahres 2008 haben gezeigt, dass die Bevölkerung bereit ist, über Alternativen nachzudenken und sich mit individuellen Mobilitätsstrategien sehr geschickt auf die veränderten Rahmenbedingungen einstellt: Immer mehr Menschen nutzen Fahrgemeinschaften für den Weg zur Arbeit oder steigen auf das Fahrrad um, Carsharingangebote und Mietfahrraddienste boomen, der öffentliche Personennahverkehr verzeichnet einen erheblichen Kundenzuwachs und spritsparende Fahrzeuge gewinnen an Martkanteilen. Dagegen wirkt die Nordostumgehung wie ein längst überholtes Artefakt vergangener Zeiten, in denen ein Liter Super ca. 35 Cent kostete und dem privaten Kraftfahrzeug mit der autogrechten Stadt der Weg bis fast in die Wohnzimmer geebnet werden sollte.

Isolierte Einzelmaßnahmen, wie auch die Nordostumgehung eine ist, sind dabei allein schlichtweg nicht in der Lage, eine vernünftige Antwort auf die sehr komplexen Verkehrsprobleme der Stadt zu geben. Entscheidend für die Zukunftsfähigkeit der Verkehrsentwicklung ist daher die Entwicklung eines integrierten und abgestimmten Maßnahmenbündels. Kleine Teile, die jeweils zu einem nachhaltigen Gesamtkonzept beitragen können, sind Tempo 30 ebenso wie eine gezieltere Stadt- und Raumplanung, Verbesserungen im ÖPNV sowie dem Rad- und Fußverkehr, flächendeckendes Carsharing und Leihfahrräder, zielgruppenspezifische Mobilitätsmanagementkonzepte, die Sanierung des maroden Straßennetzes und viele weitere Ansätze.

Die Entwicklung eines derartigen Gesamtkonzeptes benötigt aber eine ergebnisoffene Diskussion, die auf Basis des vorliegenden Satzungsbeschlusses nicht erfolgen kann. Dies zeigt schon die vollkommen fehlende Gesprächsbereitschaft der Mehrheit der Fraktionen, von denen bis auf Linke, UFFBASSE und GRÜNE keine Reaktion auf den mehrfach vorgetragenen Gesprächswunsch des IVDA erfolgte. Um den Weg für eine neue Diskussion freizumachen setzt sich der IVDA daher für die Aufhebung des Satzungsbeschlusses über den Bürgerentscheid ein und bittet Sie um Ihre Unterstützung.