Textauszüge aus "Wirkungsanalyse des Nulltarifs im ÖPNV am Beispiel der Stadt Darmstadt"
Die Stadt Lübben liegt südlich von Berlin im Spreewald und hat mit ihren rund 15.000 Einwohnern eine ähnliche Größe wie Templin. Seit 1994 verkehrt in Lübben eine Stadtbuslinie, die vom Landkreis Dahme-Spreewald über eine kreiseigene regionale Verkehrsgesellschaft betrieben und finanziert wird. Seit 1996 wurde die Stadt Lübben am Ausgleich des Defizits für die Stadtbuslinie beteiligt, da nach Meinung des Kreises die Linie ausschließlich der Stadt zugute käme. Im Folgejahr zog sich der Landkreis völlig aus der Finanzierung zurück, was eine Reduzierung der Fahrten von 51.500 km pro Jahr auf 23.532 km zur Folge hatte. Bald wurden Gedanken einer kompletten Einstellung der Linie laut, jedoch Bürgermeister und viele Stadtverordnete verständigten sich nicht nur auf den Erhalt der Linie, sondern auch auf eine Attraktivierung: Durch die Möglichkeit, den Stadtbus kostenlos nutzen zu können, sollten hauptsächlich Verlagerungseffekte vom MIV zum ÖPNV stattfinden. Auf diesem Gebiet war auch dringender Handlungsbedarf, da Lübben von drei Bundesstraßen mit erheblichem Verkehrsaufkommen durchquert wird. Außerdem sollte der Nulltarif das Image der Stadt im Hinblick auf die Bewerbung als Erholungsort anheben.
Von Januar 1998 an verkehrte die Stadtbuslinie nun gratis. Die Kosten für dieses Angebot übernahm komplett die Stadt Lübben entsprechend der Fahrscheinabrechnung der Verkehrsgesellschaft. Die Linie fand zunächst "regen Zuspruch", doch bedingt durch eine Taktfolge von 60 bis 90 Minuten war es dennoch unattraktiv den Stadtbus zu benutzen.
Im Mai 1998 gab es dann mit vier zusätzlichen Fahrten pro Tag eine Taktverdichtung auf fast 60 Minuten und ein Linienast zur Anbindung einer Reha-Klinik, der 1997 gekappt worden war, wurde reaktiviert. Das zunächst auf ein Jahr angelegte Projekt wurde am Jahresende bis einschließlich 2000 verlängert.
In Zusammenhang mit einer erneuten Verlängerung gab es Ende 1999 erstmals eine Diskussion, auch alle Bürger direkt an der Finanzierung des Projektes zu beteiligen. Viele Politiker befürchteten allerdings, dass diese Finanzierungsbeteiligung aus Sicht der Bürger ein schlechtes Licht auf das attraktive Projekt werfen würde, und die zusätzlichen Einnahmen diesen politischen Imageverlust nicht ausgleichen könnten. Der Vertrag verlängerte sich dann aber ohnehin, da eine rechtzeitige Kündigung bei dem Verkehrsbetrieb versäumt worden war. Die Diskussion über Beteiligung der Bürger soll aber weitergeführt werden.
Betrachtet man die Wirkungen der ÖPNV-Politik in Lübben so ist deutlich zu erkennen, dass der finanziell bedingte Rückgang der Beförderungsleistung auch eine Reduktion der Nachfrage in Form von weniger beförderten Personen in 1997 zur Folge hatte. Der dann eingeführte Nulltarif Anfang 1998 mit der Angebotsausweitung im Mai 1998 induzierte einen Anstieg der Fahrgäste, der bis in Zeiten aktuellster Datenaufzeichnungen anhält.
Anhang:
Entwicklung der Fahrgastzahlen in den Jahren 1996 bis 2000
Quelle: Angaben der Pressestelle Stadtverwaltung Lübben