Gemischte Erfahrungen in anderen Städten – „Schnickschnack“
Die Situation kennt jeder, der auch nur sporadisch ein Auto steuert: Man will ganz schnell etwas erledigen, mal eben per Zwischenstopp – aber im Umfeld des Zielorts ist weit und breit kein freier Parkplatz in Sicht. Jedenfalls kein kostenloser.
Für die paar Minuten Geld investieren, am Parkscheinautomaten nach Münzen kramen? Eine Gewissensfrage, eine Risikokalkulation: Wie lang ist am Erledigungsziel die Warteschlange, wie hoch ist die Knöllchengefahr, bis ich wieder zum Wagen zurückgeeilt bin?
Solche stressfördernden Abwägungsprozesse will Darmstadt den Autofahrern künftig ersparen – jedenfalls versuchsweise. Ein einjähriges Modellprojekt zum kostenlosen Kurzzeitparken hat die Stadtverordnetenversammlung im Herbst beschlossen, fast einstimmig – nur die einköpfige „Frauen“-Fraktion war dagegen.
Andere Städte haben bereits Erfahrungen mit unterschiedlichen Kurzpark-Modellen gesammelt, etwa in Form einer sogenannten Brötchentaste am Automaten, die einen Gratisbon ausdruckt. Die Ergebnisse sind uneinheitlich – auf Darmstadt übertragen, ergeben sich jedoch einige Fragezeichen.
„Brötchentaste? Die haben wir gerade wieder abgeschafft“, beantwortet Ulrich Schöttler, Leiter des Frankfurter Straßenverkehrsamts, die Frage nach den Erfahrungen des großen Nachbarn im Norden. Sein Urteil ist kurz, bündig und vernichtend: „Politischer Schnickschnack.“
Ein Jahr lang war die Brötchentaste an der Leipziger Straße in Bockenheim und der Schweizer Straße in Sachsenhausen erprobt worden – zwei lebendigen Einkaufsstraßen mit Autoverkehr und gemischtem Ladenbestand.
„Das Parkverhalten hat sich in dieser Zeit überhaupt nicht verändert“, lautet Schöttlers Fazit. „Die Brötchentaste wurde kaum genutzt. Autofahrer, die kurzzeitig geparkt haben, haben das auch weiterhin ohne Taste gemacht. Die örtlichen Geschäftsleute wussten auch nichts damit anzufangen.“ Dabei seien die Autofahrer über Zeitungsberichte und Hinweisschilder auf das neue Angebot hingewiesen worden.
Die Umrüstung der Parkscheinautomaten sei unproblematisch gewesen, berichtet der Amtsleiter. Als Brötchentaste sei eine bislang unbelegte Taste an den Automaten genutzt worden. Über Einnahmeausfälle für die Stadt lägen keine Erkenntnisse vor.
„Die Brötchentaste fördert den Einsatz des Autos für kurze Wege“, heißt es im Abschlussbericht des schwarz-grünen Frankfurter Magistrats zum Modellversuch. „Sie steht somit im Widerspruch zu den Bemühungen, die wachsenden Verkehrsemissionen zu minimieren, um die Städte nicht als Wohnstandort zu gefährden.“ Zudem sei der Kontrollaufwand erheblich. Der Versuch werde daher beendet, die Brötchentaste ist in Frankfurt Vergangenheit.
Ganz so weit ist es in Köln noch nicht; auch dort fiel aber die Auswertung eines Modellprojekts zum kostenlosen Kurzzeitparken eher ernüchternd aus. In Berlin hingegen zeigten sich Geschäftsleute im Bezirk Spandau begeistert vom Versuch mit der Brötchentaste. Andere Stadtteile wollen nachziehen, die Innenstadt-Bezirke zeigten sich jedoch uninteressiert. „Wir haben völlig andere Strukturen, die Brötchentaste würde unsere Verkehrsprobleme verschärfen“, hieß es im Bezirk Mitte.
Seit langem ist die Brötchentaste in Nordrhein-Westfalen bekannt, etwa in Mettmann, Haan, Velbert und Iserlohn. Auch in Südhessen gibt es entsprechende Angebote: etwa in Heppenheim, Bensheim und Groß-Gerau. Eher skeptisch zeigt sich der Deutsche Städtetag. Grundsätzlich begrüße man, dass die Städte die Möglichkeit zu derartigen Initiativen hätten, sagt Sprecher Jens Metzger auf Anfrage; in einem vor zwei Jahren verfassten Papier werden allerdings 14 mögliche Negativ-Effekte aufgelistet.
Genannt werden unter anderem verstärkter Parkplatz-Suchverkehr, Einnahmeverluste der Städte, hoher Kontrollaufwand, Schwächung des Öffentlichen Nahverkehrs und zunehmendes Parken in zweiter Reihe, „da Parkplatzsuchende dann meinen, einen Anspruch darauf zu haben“. Man könne die Erfahrungen nicht generalisieren, sagt der Städtetags-Sprecher, doch seien sie in Kleinstädten meist positiver als in Großstädten.
Beim vorgesehenen Darmstädter Modellversuch ist zweieinhalb Monate nach dem Beschluss noch Vieles in der Schwebe. „Wir sind noch bei der Konzeption“, sagt Norbert Stoll, Abteilungsleiter Verkehrsentwicklung im Straßenverkehrsamt. Im Februar sollten Einzelheiten vorgelegt werden. Bislang ist noch unklar, ob das Gratis-Kurzzeitparken für 15 oder 30 Minuten gilt, wie das Modell praktisch funktionieren und an welchen Parkplätzen es eingeführt werden soll.
Man wolle zugleich auch das Handy-Parken erproben, mit dem in der Wiesbadener Innenstadt bereits jetzt minutengenau abgerechnet wird, kündigt Stoll an. Klar sei, dass man Parkzonen in der Innenstadt auswählen werde. Der Projektstart sei für Mai 2007 vorgesehen, ein Jahr später werde Bilanz gezogen. Nach wie vor gebe es Bedenken, sagt der Amtsleiter, „aber man will es einfach ausprobieren – das ist der politische Wunsch“.