Zurück

07.06.2005

Quelle:Darmstädter Echo

Leserbrief: Das war doch alles schon mal da

Zum Artikel "Lkw-Endstation am alten Bahnhof? Verkehr: Konzept eines Güterverteilzentrums am Stadtrand wird durch das Feinstaub-Problem wiederbelebt" vom 21. Mai:

Das war doch alles schon einmal da. Und vor allem: Es hat gut funktioniert und sogar einige Familien mehr ernährt, wie die heue gegebene Situation.

Als ich ganz am Anfang der achtziger Jahre meine Ausbildung zum Speditionskaufmann bei einer damals angesehenen und alteingesessenen Darmstädter Spedition absolviert habe, hatte diese und auch andere Speditionen im Güterbahnhof ihre Umschlaghalle. Hier kamen täglich mindestens ein, oft zwei, manchmal auch drei Waggons mit Sammelgut aus dem Großraum Freiburg/Südbaden an, wurden entladen und auf Verteiler-Fahrzeuge umgeladen.

Das Gleiche wurde auch mit dem täglichen Sammelgut-Lkw aus der Schweiz praktiziert. Die ehemaligen bahnamtlichen Rollfuhrunternehmer haben die Wagen früh morgens den Darmstädter Kunden und auch dem Umland „zugerollt" (daher der Beriff Rollfuhrunternehmer).

Natürlich haben wir damals auch große Läden wie etwa Kaufhof bedient. Und die Innenstadt war zu diesem Zeitpunkt weitaus reicher an Läden mit Angebot und Beratung wie die heutige Wildnis, die nur noch aus ein paar wenigen ganz großen Geschäften und vielen kurzlebigen "Schnäppchen-Ramschern" besteht.

Ich will nicht behaupten, dass es die goldene Zeit war, aber man konnte damals als Fußgänger noch durch die gleichnamige Zone gehen, ohne alle paar Meter von einem Paketdienst-Fahrer gescheucht zu werden. Wir haben damals auch in die Fußgängerzone geliefert - die gab es nämlich bereits! - aber wehe, wir waren bis 8.30 Uhr nicht draußen. Da gab es einen Anruf von der Schlosswache, dessen Nachwirkungen der betreffende Fahrer bei der Rückkehr auf den Hof klar und deutlich zu hören bekam. Und wir Disponenten bekamen auch unser Fett weg: "Plant nächstes Mal nicht so knapp!"

Und das mit den Kosten war seinerzeit auch keine Frage: Es gab ja das "Rollgeld" nach Ortsklassen und den Stückguttarif.

Heute leben wir im Zeitalter der Liberalisierung, haben keine Tarife mehr, aber auch keine Rollfuhrunternehmer. Statt dessen haben wir ein Heer von Ostblock-Seelenverkäufern in oftmals haarsträubendem Zustand auf unseren Straßen, die auch in 50 Jahren garantiert noch ohne TÜV und Rußfilter, dafür aber zu dumpingmäßigen Hungerlöhnen unterwegs sind und Landgraf-Georg-Straße, Cityring und Bleichstraße auch weiterhin zustauben werden.

Vielleicht sollten wir abwarten, bis das zuständige Dezernat den Feinstaub in die Schubladen gekehrt hat, sollten dann die Uhr ein Vierteljahrhundert zurückdrehen und das tun, was damals wunderbar funktionierte. Wer wissen will, wie und warum das damals funktionierte, kann mich fragen.

Holger Stender
Orangerieallee 15
64285 Darmstadt

Kurz-URL:

Link teilen: Quelle twittern 

Zurück