Heag mobilo setzt auf erweitertem Netz neue Züge ein / Fahrgäste wünschen sich dichteren Takt und Nachtverkehr
Am Samstag feiert Darmstadt 120 Jahre Straßenbahn. Zum 125. Jubiläum in fünf Jahren werden klimatisierte Niederflurzüge im 7,5-Minuten-Takt nach Arheilgen fahren. Der Betreiber Heag mobilo will auch den Ostbahnhof besser anbinden. Ein Ausblick.
Darmstadt · Cristina Lica wartet an der neuen Schloss-Haltestelle schon „ziemlich lange“ auf ihre Straßenbahn zum Hauptbahnhof, tagsüber fährt die Linie 3 nur alle 15 Minuten. „Öfter wäre ganz schön“, sagt die Frankfurterin. Sonst hat sie an der Darmstädter Straßenbahn keine Kritik: „Die fahren flott hier.“
Einen ganztägigen 7,5-Minuten-Takt auf allen Strecken wünscht sich auch Stefan Opitz, einer von drei Vorständen des Vereins für Innovative Verkehrssysteme. An Wochenden sollten in fünf Jahren die ganze Nacht über Straßenbahnen verkehren, unter der Woche länger als nur bis 0.30 Uhr.
Opitz ist froh, „dass Darmstadt nach dem Zweiten Weltkrieg nicht den Fehler gemacht hat, die Straßenbahn abzuschaffen“. Dass die Stadt seit den 90er Jahren wieder kräftig in den Ausbau des Streckennetzes investiert – erst die Linie nach Kranichstein, nun der zweigleisige Ausbau in Arheigen. Und er hofft, dass in fünf Jahren auch der Bau der Linie nach Weiterstadt angefangen hat. „Längerfristig drohen Kürzungen der Bundesmittel.“
18 neue Züge bestellt
Für Investitionen wie jüngst am Hauptbahnhof, in der Rheinstraße und am Schloss schießen Bund und Land Millionen zu, für die Anschaffung neuer Züge hat die hessische Landesregierung alle Hilfen gestrichen. So bleibt Opitz bei seinen Wünschen an den Fuhrpark in fünf Jahren auch bescheiden: „Eine Klimaanlage in allen Fahrzeugen ist wünschenswert, aber eine Geldfrage“, sagt er. Doch solle Heag mobilo „wenigstens mit Anhängern“ auf allen Zügen einen Niederflur-Einstieg garantieren.
Die 18 neuen Züge, die Heag mobilo bei Alstom/Bombardier geordert hat, erfüllen diese Standards. Weitere Neubestellungen kommen für den Vorsitzenden der Geschäftsführung Harald Fiedler in den nächsten fünf Jahren nur in Frage, „wenn die Strecke nach Weiterstadt gebaut wird“.
„Worüber man nachdenken muss, ist eine Anbindung des Ostbahnhofs an das Straßenbahnnetz“, skizziert Fiedler ein weiteres Projekt. Er habe mit Baudezernent Dieter Wenzel (SPD) bereits darüber diskutiert, wie Reisende aus Richtung Odenwald zügiger zum neuen Kongresszentrum gelangen könnten. „Den Hauptbahnhof haben wir jetzt gut im Griff“, so Fiedler, jetzt fehle noch eine Verbindung von der anderen Seite.
Als nächstes müssen sich Fahrgäste in der Bismarckstraße auf Bauarbeiten einstellen. Hier plant Heag mobilo eine weitere separate Nahverkehrsspur. Christa Braner hofft, dass die Ersatzbusse bei künftigen Baustellen in dichterer Taktfolge fahren als in den Sommerferien auf der Linie 3. Die junge Frau aus Sensbachtal im Odenwald nimmt aber Störungen in Kauf. „Man muss auch das Positive sehen, wenn sie bauen“, sagt sie beim Aussteigen an der Schlosshaltestelle. „Es sieht jetzt toll aus, alles neu und sauber.“
Kameras an Haltestellen
An wichtigen Umsteigehaltestellen installiert Heag mobilo nun Kameras. „Sie dienen jedoch primär der Verkehrsüberwachung“, sagt Pressesprecherin Silke Rautenberg. „Es sind reine Livekameras ohne Zoom und Schwenk.“ Dennoch gebe es an den überwachten Haltestelle weniger Vandalismus.
Dass in fünf Jahren Wachleute oder vielleicht gar wieder Schaffner auf den Straßenbahnen mitfahren, hält Harald Fiedler für utopisch. Er sei zwar sehr dafür, „dass man nach Möglichkeite den Menschen wieder Arbeit gibt“, beteuert er, doch könne sich sein Unternehmen im Wettbewerb die Personalkosten nicht leisten. „Ich sehe das als Wunschdenken.“ Für die Straßenbahnfahrer gilt seit rund zwei Jahren ein neuer Tarifvertrag. Neu eingestelltes Fahrpersonal verdient Fiedler zufolge nur noch rund zehn Euro brutto in der Stunde – 20 Prozent weniger als zuvor. „Das ist Markt“, rechtfertigt Fiedler den Einschnitt. „Mir bleibt nichts anderes übrig.“ Rainer Vollweiter
Hintergrund:
Neue Züge, neue Spuren
Hohe Investitionen ins Netz
Von Rainer Vollweiter
Am 30. August 1886 fuhren die ersten dampfbetriebenen Straßenbahnen nach Griesheim und Eberstadt. In den 1960er Jahren, als viele andere Städte auf Busse umstellten, hielt Darmstadt an dem Verkehrsmittel fest. Seit dem Bau der 4,1 Kilometer langen Strecke nach Kranichstein misst das Netz 48,6 Kilometer. Auf 27,2 Kilometern hat die Straßenbahn ihre eigene Trasse. Wo die Straße zu schmal für eine eigene Spur ist, setzt Heag mobilo auf eine neue Ampeltechnik, die den Autoverkehr abfließen lässt, wenn sich eine Tram nähert.
Ab kommendem Jahr stellt Heag mobilo 18 neue Niederflurstraßenbahnen in Dienst: Die neuen, klimatisierten Fahrzeuge zum Gesamtpreis von 39,1 Millionen Euro werden 14 ältere Modelle ersetzen, vier zusätzliche Züge werden für den 7,5-Minuten-Takt von und nach Arheilgen benötigt.
Außer dem zweigleisigen Ausbau in Arheilgen, der in diesen Tagen beginnt, verlängert Heag mobilo die Strecke in Alsbach um 950 Meter. Gleichzeitig werden das vorhandene Streckennetz und die Haltestellen modernisiert. Nach dem neuen Verkehrsknoten am Hauptbahnhof (5,7 Millionen Euro), dem Bau der neuen Haltestelle Schloss (5,2 Millionen Euro), der Nahverkehrsspur auf der Rheinstraße und am Mathildenplatz und der Baustelle in der Kirchstraße soll als nächstes die Bismarckstraße drankommen.
3,9 Millionen Euro investierte Heag mobilo in neue Digitalfunktechnik. Die wichtigsten Haltestellen hat die Leitstelle per Video im Blick. Knapp die Hälfte der 70 Haltestellen hat schon erhöhte Bordsteine für einen barrierefreien Einstieg.